Die 10 Gebote, Dekalog
, werden gemeinhin als einer der fundamentalen Texte der christlichen Religion verstanden, fantasieren Gläubige doch, es handele sich um den Versuch einer direkten Ansprache Gottes an das von ihm auserwählte Volk (2.Mose 20). Es stellte sich allerdings heraus, dass der Allmächtige eine kommunikative Niete ist. Er verschreckte seine Hörerschaft derartig, dass Panik ausbrach. Das ganze Volk erlebte, wie es donnerte und blitzte, wie Hörner erklangen und der Berg rauchte. Da bekam das Volk Angst, es zitterte und hielt sich in der Ferne (2.Mose 20,18). Wegen dieses Versagens Gottes hat sich, so geht das Märchen weiter, Moses bequemen müssen, mit dem göttlichen Empathie-Genie zu sprechen. Dort bekam er zwei Steintafeln, vom Chef höchstdarselbst beschrieben (2.Mose 24,12). Irgendwie hat diese zweite, jetzt schriftliche, Version auch nicht recht gezündet – vielleicht hat Moses auch zu lange gebummelt (2.Mose 24,18). Der liebe Gott und sein Sprecher waren darüber so stinkig, dass letzterer die Steintafeln zerschmetterte (2.Mose 24,19). Darauf fertigte der göttliche Steinmetz eine dritte Version (2.Mose 34,1).
Ich will hier aufzeigen, dass der Text noch immer an vielen Stellen höchst problematisch ist. Dabei beschränke ich mich auf die Abschnitte, die gemeinhin als die 10 Gebote subsumiert werden. Der stets barmherzige Gott hat bei der Gelegenheit noch viel mehr abgesondert, etwa den Befehl zur Hexenverfolgung (2.Mose 22,17), ein Gebot, dass Martin Luther lustvoll kommentiert hat.
Hier also die 10 Gebote, wie sie Martin Luther im kleinen Katechismus
zusammengefasst hat. Die Elemente der Liste sind anklickbar.
Was ist das?
Wir sollen Gott über alle Dinge fürchten, lieben und vertrauen.
Ein lieber, sehr geschätzter Freund, emeritierter Pastor, schenkte mir unlängst ein Buch von Peter Hahne: Passiert - notiert Geschichten, die das Leben schrieb. Dieses Buch zu lesen, war für mich nicht einfach – weniger wegen des intellektuellen Gehalts. Der ist überschaubar. Es handelt sich um eine Ansammlung mehr oder eher weniger interessanter Anekdötchen über die Erlebnisse mit seinem Gott. Hahne meint, diese mit penetrantem missionarischem Eifer kundtun zu müssen. Schwer erträglich. Eine weitere Schwierigkeit besteht darin, dass Hahne die Existenz Gottes als Tatsache voraussetzt. Dieses Problem habe ich häufig, wenn ich mich mit Gläubigen auseinandersetze. Da erfahre ich beispielsweise: Gott liebt Dich trotz Deiner falschen Einstellung. Oder auch: Gott wird Dich für Deinen lästerlichen Atheismus strafen. Das sind Aussagen, die mich herzlich wenig tangieren: Weder lege ich irgendeinen Wert auf die Liebe einer Fantasiegestalt, noch schreckt mich die Fantasie von der Hölle. Die herzerfrischende Beschreibung derselben durch den Juniorchef ist mir durchaus bekannt.
All diese Eiferer – der genannte Pastor gehört nicht dazu! – können oder wollen nicht begreifen, dass ich das erste Gebot des Dekaloges nicht befolge. Mehr noch: Ich distanziere mich mit allem Nachdruck davon. In diesem Gebot heißt es:
Ich bin der Herr, dein Gott. Du sollst keine anderen Götter haben neben mir.
Das allerdings ist eine Kurzfassung, im vollständigen Text wird klargestellt, dass Gott eifersüchtig ist. Für meine Einstellung droht er mit Rache bis in die vierte Generation, also bis zu meinen noch gar nicht geborenen Urenkeln. Ich kann nicht glauben, dass es ein Zufall ist, dass diese widerwärtigen Aussagen des ersten Gebotes meist unterschlagen werden. Das geschieht nämlich regelmäßig bei den vielen abscheulichen Passagen in der Bibel.
Mein Freund nun erklärte mir, dass die Festlegung auf das vierte Glied eine wohlmeinende Begrenzung sei. Die Verfolgung durch den eifersüchtigen Gott sei damit dann abgeschlossen. In früheren Zeiten und auch heute noch seien Feindschaften über Generationen hinweg durchaus Realität – hinsichtlich einzelner Familien, Stämmen, Nationen, Rassen.
Dem ist zu entgegnen:
heilige Schriftden Gläubigen als Orientierung im heutigen Leben zugemutet wird.
Das Rechts
-Prinzip der Sippenhaft ist im biblischen Sinne offensichtlich moralisch (wie beispielsweise Kannibalismus auch). Die Bibel definiert nämlich ihre eigentümliche Moral selbst. Der stalinistische Diktator Nordkoreas, Kim Il-sung, war im Übrigen gnädiger als der liebe
Gott: Dieser Verbrecher betrieb die Sippenhaft nur
bis ins dritte Glied. Für jeden aufgeklärten Humanisten ist eine solche Haltung selbstverständlich zutiefst unethisch. Zur Differenzierung Ethik / Moral habe ich an anderer Stelle ausführlich Stellung bezogen.
Das erste Gebot disqualifiziert den Gottesglauben somit bereits im eigenen Wortlaut. Auch unabhängig davon erschließt sich mir die Hyperthese von der Existenz irgendeines Gottes nicht.
Genau genommen breche ich das erste Gebot übrigens nicht: Ich habe keine anderen Götter neben diesem widerlich eifersüchtigen und nachtragenden Christen-Gott. Ihn selbst allerdings habe ich auch ganz und gar nicht. Mein entschiedener Widerstand richtet sich vielmehr gegen das apostolische Glaubensbekenntnis, die Zehn Gebote und das Vaterunser. Alle sind Bestandteil des Kleinen Katechismus, verfasst von meinem besonderen Freund Martin Luther. Von dem stammt auch der Was ist das?
-Kommentar zu jedem Gebot. Alle diese Kommentare beginnen mit Wir sollen Gott fürchten und lieben … In der Tat: Schon im ersten Gebot wird deutlich, dass bei diesem Scheusal fürchten
an die erste Stelle gehört. Ich persönlich fürchte und liebe ihn nicht, sondern verlache diese absurde Fantasie.
Was ist das?
Wir sollen Gott fürchten und lieben, daß wir bei seinem Namen nicht fluchen, schwören, zaubern, lügen oder trügen, sondern ihn in allen Nöten anrufen, beten, loben und danken.
Es stellt sich die Frage: Was bedeutet hier
Luther zählt dazu auf: fluchen, schwören, zaubern, lügen oder trügen. Diese Aktionen sind an sich schon unschön – und extrem weit verbreitet, gerade auch in Verbindung mit Gott. unnütz
?
Gottverdammte Scheiße!
ist beispielsweise ein durchaus gängiger Fluch. Auch Herrje!
(= Herr Jesus
) gehört dazu.Ich schwöre bei Gott.
ist seltener, taucht letztlich aber im verschwurbelten Amtseid deutscher Politiker immer wieder auf: So wahr mir Gott helfe
.
Gezaubert wird dagegen fleißig mit Bezug auf Gott, nämlich beim Hokuspokus des Abendmahls.
Lügen und betrügen im Namen Gottes ist eine Spezialität der Kirchen seit Jahrtausenden, etwa wenn ihre Machtgelüste als Gottes Willen verkaufen.
Bemerkenswert ist, dass Luther hier die göttliche Strafandrohung explizit nennt. Ich selbst sehe nicht, was an der Verletzung des zweiten Gebotes so verwerflich sein soll. Allerdings ist die Nennung des Namens Gottes regelmäßig unnütz, da ohne Effekt – von der Manipulation Gläubiger einmal abgesehen. Trotzdem verwende ich selbst solche Quatschformeln wie Gott sei Dank!
und ärgere mich regelmäßig darüber – wenn ich es überhaupt merke.
Was ist das?
Wir sollen Gott fürchten und lieben, daß wir die Predigt und sein Wort nicht verachten, sondern es heilig halten, gerne hören und lernen.
Sogar der Junior-Chef hielt sich nicht an das Sabbatgebot (Mk 2,23-24 34,1). Hier hatte er tatsächlich mal recht. Die Interpretation dieses Gebotes ist bisweilen geradezu grotesk. Mir fallen in dem Zusammenhang ultraorthodoxe Juden ein. Sie halten das Zerreißen von Papier für eine Sabbat-unwürdige Arbeit. Konsequenz: Sie zerreißen ihr Toilettenpapier am Tag vor Sabbat, damit der Stuhlgang am Feiertag gottgefällig sei.
Was ist das?
Wir sollen Gott fürchten und lieben, daß wir unsere Eltern und Herren nicht verachten noch erzürnen, sondern sie in Ehren halten, ihnen dienen, gehorchen, sie lieb und wert haben.
Dieses Gebot suggeriert eine einseitige Verpflichtung der Kinder. Ein auf Gegenseitigkeit beruhendes Verhältnis wäre im Sinne der Fairness und damit der Ethik angemessen. Selbstverständlich sollen Eltern die Bedürfnisse ihrer Kinder angemessen erfüllen.
Eine solche Fairness ist den Erfindern der Gebote aber wohl nicht einmal in den Sinn gekommen. Intendiert ist vielmehr die Zementierung von asymmetrischen Machtverhältnissen. Luther hat das sehr wohl begriffen. Sein aus der Luft gegriffener Einschub und Herren macht das deutlich.
Was ist das?
Wir sollen Gott fürchten und lieben, daß wir unserm Nächsten an seinem Leibe keinen Schaden noch Leid tun, sondern ihm helfen und beistehen in allen Nöten.
Die Aussage dieses Gebotes ist eigentlich völlig klar. Für Gott selbst gilt das natürlich nicht. Er mordet, so die Bibel, munter drauflos – sei es fast die ganze Menschheit, wie durch die Sintflut (Mose 6,5ff), seien es einzelne Völker und Städte (5.Mose 20,10-18).
Das gilt weiter auch nicht für Massenmörder, die behaupten Deus lo vult!
(Gott will es!) und in Kreuzzüge zogen und noch ziehen.
Was ist das?
Wir sollen Gott fürchten und lieben, daß wir keusch und zuchtvoll leben in Worten und Werken und in der Ehe einander lieben und ehren.
Dieses Gebot wurde von Luther ausgeweitet, indem er auf keusch und zuchtvoll leben in Worten und Werken ausdehnte. Hier sei angemerkt, dass insbesondere auch die Psyche von Kindern nicht durch pädokriminelle Pfaffen gebrochen werden darf; und das darf auch nicht keusch und zuchtvoll vertuscht werden. Es ist zum Thema der religiös verkorksten Sexualmoral zu sagen, dass es den Rahmen dieser Schrift völlig sprengen würde.
Was ist das?
Wir sollen Gott fürchten und lieben, daß wir unsers Nächsten Geld oder Gut nicht nehmen noch mit falscher Ware oder Handel an uns bringen, sondern ihm sein Gut und Nahrung helfen bessern und behüten.
Das gilt besonders für die Kirchen, die quasi per Gewohnheitsrecht stehlen. Ich verweise auf die Staatsleistungen, um nur ein Beispiel zu nennen.
Was ist das?
Wir sollen Gott fürchten und lieben, daß wir unsern Nächsten nicht belügen, verraten, verleumden oder seinen Ruf verderben, sondern sollen ihn entschuldigen, Gutes von ihm reden und alles zum besten kehren.
Dieses Gebot impliziert, konsequent umgesetzt, das Verbot von Predigten. Auch sonst ist belügen, verraten, verleumden oder Ruf verderben schon immer viel geübte Praxis der Kirchen.
Was ist das?
Wir sollen Gott fürchten und lieben, daß wir unserm Nächsten nicht mit List nach seinem Erbe oder Hause trachten und mit einem Schein des Rechts an uns bringen, sondern ihm dasselbe zu behalten förderlich und dienlich sein.
Auch hier zeigt sich eklatant, wie wenig sich die Kirche an die Gebote gebunden fühlt. Es war und ist deren oft geübte Praxis, ihren Schäfchen Immobilien abzujagen – sei es, dass keine Erben vorhanden waren, sei es, dass Ketzer
enteignet wurden etc. etc.
Was ist das?
Wir sollen Gott fürchten und lieben, daß wir unserm Nächsten nicht seine Frau, Gehilfen oder Vieh ausspannen, abwerben oder abspenstig machen, sondern dieselben anhalten, daß sie bleiben und tun, was sie schuldig sind.
So ist das mit den Weibern: Sie werden mit Knechten und Mägden, Vieh und Sachgütern subsumiert – und zwar als Eigentum des Mannes. Keine Option für aufgeklärte Menschen.
Es zeigt sich: Keines der christlichen Gebote hält einer Hinterfragung stand. Es gibt aber durchaus Alternativen, wie: